ACB®-Träger überspannen das Dach des Klimahauses 8º Ost in Bremerhaven

Die 1.200 Tonnen schwere Stahlkonstruktion als Fassadenträger - mit Lochstegträgern von ArcelorMittal - greift Elemente aus dem Schiffbau auf. Durch modernste Energieversorgungstechnologien wurde Klimaschutz auch in der Bauweise konsequent umgesetzt.

Beschreibung

Architektur

Das neue Edutainment Center zeichnet sich durch seine ungewöhnliche Form aus, dem geschwungenen Baukörper liegt keine Geometrie zugrunde.

Das Gebäude, 125 m lang und 82 m breit, setzt sich aus 2 getrennten Körpern zusammen, die Außenhülle aus Glas wird von einer Konstruktion aus Stahlträgern (u.a. ACB®-Lochstegträger von ArcelorMittal) gestützt und umgibt, unabhängig davon, die Innenkonstruktion aus Beton. Die 1.200 Tonnen schwere Stahlkonstruktion greift Elemente aus dem Schiffbau auf.

Die Gebäudehülle besteht aus siebbedrucktem Glas, von den rund 4 000 Glasscheiben gleicht keine der anderen, jede wurde individuell berechnet und produziert.

Auch im Inneren des Gebäudes dominieren die freien Formen: Begriffe wie Geschossebenen, Dach und Wand verlieren weitgehend ihre Bedeutung und werden ersetzt durch ein Raumkontinuum bestehend aus versetzten Ebenen, Galerien, Treppen und Rampen. Die Räume entsprechen dieser Individualität, die u.a. auch durch das Klimahauskonzept verlangt wird - mehrgeschossige Ausstellungsräume existieren neben kleinen Themenkammern und Vertiefungszonen, dementsprechend konnte kaum auf vorgefertigte Komponenten zurückgegriffen werden, jegliche Elemente mussten individuell angefertigt werden.

Die Trennung des Kerngebäudes von der Hülle hat unter anderem Vorteile für die Klimatisierung des Komplexes - die Zirkulation der Innenluft und die Sonneneinstrahlung werden zur Belüftung genutzt.

Inhaltliches Konzept: Klimareise um die Welt

Mit dem Klimahaus® Bremerhaven 8º Ost hat eine weltweit einmalige Wissens- und Erlebniswelt ihren Betrieb aufgenommen, die wissenschaftlich fundiert und spannend aufbereitete Fakten rund um Klima, Klimawandel und Klimaschutz präsentiert. Mit einer Ausstellungsfläche von rund 11.500 qm gehört das Klimahaus® zu den derzeit größten wissensbasierten Freizeitangeboten in Europa.

Das Edutainment Center besteht aus 4 Ausstellungsbereichen:

  • Reise: Ausgehend von Bremerhaven führt die Reise entlang des achten östlichen Längengrades in 9 Stationen um die Welt, wobei die verschiedenen Klimazonen der Welt für alle Sinne veranschaulicht werden. Durch die Schweizer Alpen geht es über das mediterrane Sardinien, die trockene Hitze im Niger, die tropischen Flusslandschaften Kameruns, die Korallenriffe Samoas in die polare Kälte der Antarktis. Während der Reise wird eindrucksvoll deutlich, wie das Leben der Menschen auf der Erde vom Klima beeinflusst wird und welche Veränderungen uns bevorstehen.
  • Elemente: In diesem Bereich können Besucher mit Feuer, Erde, Wasser und Luft Klimaexperimente selbst durchführen, z.B. Miniaturstürme verursachen und Vulkanausbrüche miterleben.
  • Perspektiven: behandelt das Klima unserer Vergangenheit, Gegenwart und die Auswirkungen auf die Zukunft.
  • Chancen: zeigt den Besuchern Handlungsmöglichkeiten auf, wie man im persönlichen Alltag den CO2 Ausstoß reduzieren kann.

Nachhaltiges Klimakonzept – Komfort und spektakuläre Klimaerfahrungen

Das Klimahaus® 8º Ost ist nicht nur hinsichtlich seiner Architektur ein außergewöhnliches Ausstellungsgebäude, sondern besonders auch wegen der speziellen internen Klimabedingungen. Die Entwicklung des Klima- und Energiekonzepts stellte bereits in der Planung eine Herausforderung dar: einerseits musste für die rund  5 000 Besucher täglich während ihres mehrstündigen Aufenthalts ein angenehmes Raumklima mit guter Frischluftqualität geschaffen werden, andererseits mussten im Zuge der “Reise” die verschiedensten Klimazonen realistisch dargestellt werden, um eine authentische Erfahrung der Besucher zu garantieren.

Ein wichtiger Anspruch des Betreibers war es gleichzeitig, höchste Maßstäbe betreffend Nachhaltigkeit und CO2 Emissionen anzulegen, damit das Gebäude – dem Klimaschutz entsprechend – so geringe Auswirkungen wie möglich auf die Umwelt hat.

Die Firma Transsolar Energietechnik GmbH hat entsprechend dieser Anforderungen ein integrales Energiekonzept zur Gebäudeklimatisierung entwickelt: Eine systematische Reduktion der internen Lasten und des Kältebedarfs um rund 50% ermöglichte die Entwicklung eines Gebäude- und Ausstellungskonzepts, welches für 3 der 4 Ausstellungsbereiche und dem Foyer ohne mechanische Kälteerzeugung auskommt und das natürliche Kühlpotential des Standorts Bremerhaven über freie Lüftung, Kühltürme und den Einsatz oberflächennaher Geothermie maximal ausnutzt.

Nach eingehenden Analysen der Gebäudenutzung und des Ausstellungsgeschehens konnte die Art, die Struktur und Menge des Energiebedarfs bewertet werden. Das Klimahaus® erwies sich aufgrund seiner Nutzung ganzjährig als Kühlfall, die Kühlenergie dominiert deutlich den Heizwärmebedarf.

Es wurde ein Gesamtkonzept aus Gebäude- und Klimatechnik entwickelt, welches von Anfang an einen integralen, gewerkeübergreifenden Planungsprozess und eine Abstimmung aller Beteiligten (von den Architekten über die Bauherren, die spätere Betreiber, die Haustechnik, über Fassadenplaner bis hin zu den Ausstellungs-, Exponat- und Medienplanern) erforderte.

So konnten z.B. die flächenspezifischen Leistungen für Medien und Kunstlicht von 65 W/m2 auf ca. 40 W/m2 reduziert werden: dies stellte eine wesentlichen Schritt dar, um die Betonkernaktivierung als wesentliches Konzeptelement zu ermöglichen.

Das Grundprinzip des Konzepts ist es, die am Standort vorhandenen natürlichen Ressourcen und Umweltenergien  soweit möglich direkt einzusetzen.

- nächtliche Rückkühlung zur Betonkernaktivierung: die massiven Geschossdecken und ihre Speicherfähigkeit werden zur regenerativen Bereitstellung der Raumtemperierung genutzt. In den Betondecken, die tagsüber die überschüssige Wärme der Räume aufnehmen, sind Kunststoff-Rohrschlangen integriert, in denen nachts kaltes Wasser zirkuliert (effizienter gekühlt durch Nachtluft am Kühlturm) und so den Beton temperiert. Am nächsten Tag stehen die Betondecken dann wieder zur Wärmeaufnahme zur Verfügung. Die gekühlten Oberflächen der Betondecken tauschen ihre Energie dabei hauptsächlich über Wärmestrahlung aus, die – über die Temperatur der Raumluft hinaus – für den thermischen Komfort eine wichtige Rolle spielt.

- Kühldecken kommen zum Einsatz in jenen Bereichen, wo keine freiliegenden Betondecken nutzbar sind. Da diese kein Speichervermögen besitzen, müssen sie auch tagsüber mit Kälte versorgt werden. Statt auf Kältemaschinen wird auf die niedrigen Temperaturen im Erdreich unter dem Klimahaus® zurückgegriffen. Diese Nutzung oberflächennaher Geothermie bietet sich an, da das gesamte Gebäude auf 770 Betonpfählen gegründet ist, die das Tragwerk ca 20m tief im Untergrund verankern. 464 von ihnen sind mit Rohrschlangen belegte Energiepfähle, in denen ein Wärmeträgermedium zirkuliert, und stehen somit im Energieaustausch mit dem Erdreich.
Dieses Energiepfahlfeld versorgt auch die Lüftungsanlagen und die Fußbodenkühlung im Foyer mit einer Spitzenkühlleistung von ca. 270 kW.

- Frischluftversorgung: die mechanischen Lüftungsanlagen werden soweit wie möglich durch natürliche Lüftung unterstützt, bei guten Außenbedingungen werden die zur Entrauchung erforderlichen Lüftungsklappen in der Außenhaut geöffnet. Im Winter wird die Wärmegewinnung aus der Fassade zur Vorwärmung der Frischluft genutzt. Die warme Abluft strömt frei nach oben ab, eine Wärmerückgewinnung entzieht ihr vor dem Austritt ins Freie gegebenfalls die noch nutzbare Wärmeenergie. Die natürlich unterstützte Lüftung dient im Sommer auch als Nachtluftspülung zur nächtlichen Entwärmen des Gebäudes.

- Aktive Kühl- und Heizsysteme: der Einsatz der natürlichen Ressourcen reicht aber nicht aus, um z.B. Tropische Hitze oder Polarkälte zu schaffen, dafür muss maschinelle Klimatechnik zum Einsatz kommen. Neben der eigenen Abwärme aus Wärmerückgewinnung kommt die Wärme für das Klimahaus® als Fernwärme aus dem Bremerhavener Müllheizkraftwerk. Im Sommer wird Wärmeenergie über Sorptionstechnik (thermo-chemische Prozesse) zur Kälteerzeugung eingesetzt. Eine Absorptionskältemaschine, die unter anderem für die Kühlung der Aquarien eingesetzt wird, erzeugt aus einer Heizleistung von 84 kW aus Fernwärme eine Kälteleistung von 65 kW. Zur sommerlichen Kühlung der Frischluft wird mit einem sog. Desiccant Cooling System (DCS) ebenfalls Fernwärme in eine Kälteleistung umgewandelt.

- Strom aus erneuerbaren Energiequellen: Das Klimahaus deckt seinen Strombedarf (für Betrieb der Kältemaschinen, Medien, Exponate, Beleuchtung etc.) mit zertifiziertem Ökostrom, d.h. mit Strom aus regenerativ erzeugten Energieformen wie Wind- und Wasserkraftanlagen.  

Die CO2 Bilanz des Klimahauses liegt praktisch bei Null, bzw. bei 400 g/Besucher, was ca. 1% der täglichen CO2 Emissionen eines durchschnittlichen Bundesbürgers entspricht oder einer Fahrt von 3 km in einem PKW.

Außerdem wurden in das Glasdach der Plaza, direkt in den Isolierglasaufbau, monokristalline Photovoltaik-Zellen eingebaut. Diese liefern 37 kW Leistung (der Strombedarf des Ausstellungsbereichs “Chancen”). Die schwarzen Zellen reduzieren gleichzeitig die Sonneneinstrahlung in der Plaza auf ca. 20% und wirken so als Sonnenschutz.

Zusätzliche Informationen:

Idee zum Klimahaus®: Dr. Carlo Petri, Petri & Tiemann GmbH (Leitthema / Reise auf dem 8. Längengrad)
Betreiber: Klimahaus® Betriebsgesellschaft mbH
Projektträger: BEAN Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen mbH & Co. KG
Architekt (Entwurf): Klumpp Architekten Stadtplaner
Architekt (Ausführungsplanung): agn Niederberghaus & Partner GmbH
Ausstellungsdesign: Kunstraum GfK mbH
Gesamtprojektleitung: STÄWOG Städtische Wohnungsgesellschaft Bremerhaven mbH

Projektinformationen:

  • remerhaven
  • Deutschland
  • Architekt:
    Klumpp Architekten, Bremen Entwurf
    agn Niederberghaus & Partner GmbH, Ibbenbüren Ausführungsplanung
    Realisierungsbetreuung & Ideenentwicklung: Petri & Tiemann GmbH, Freizeit und Edutainment, Bremen
  • 2003-2009
  • Bauherren:
    Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen BEAN mbH & Co. KG, Bremerhaven
    Betreiber: Klimahaus® Betriebsgesellschaft mbH
  • Ingenieurbüro:
    Tragwerksplanung: ARGE Prof. Bellmer Ingenieurgruppe GmbH, Bremen
    KlimaEngineering: Transsolar Energietechnik GmbH, München
  • Fotograf:
    Jan Rathke ©Klimahaus® Bremerhaven 8º Ost und
    © BEAN GmbH & CO KG