Hochfeste Stahlprofile von ArcelorMittal reduzieren Gewicht und Co2-Bilanz des LEED Gold zertifizierten Torre Diamante in Mailand

Mit 130m ist der Torre Diamante ist das höchste der drei Hochhäuser, die im Zuge des großflächigen Porta Nuova Redevelopments errichtet wurden, welches zurzeit im Herzen von Mailand durchgeführt wird. Er ist damit auch der höchste Stahlturm in Italien und das dritthöchste Gebäude des Landes. Die Verwendung hochfester Stahlprofile ermöglichte ein geringes Gesamtgewicht, günstige Kosten und weniger Transporte, schlankere Stützen und eine Flachgründung.

Beschreibung

Eine Tragwerkslösung im Dienste von Effizienz und architektonischem Design

Der Torre Diamante stellt mit einen Sockel von 30 x 50 m, 30 Stockwerken und 4 Untergeschossen das mit Abstand höchste Gebäude des Neubaukomplexes dar. Sein Name leitet sich von seiner unregelmäßigen Geometrie ab: ein Teil der Fassadenstützen ist schräg gestellt, wodurch sich eine besondere Linienführung, ergibt, die an die Form eines Diamanten erinnert.

Aufgrund der Stahl/Beton Mischbauweise mit Stahlstützen, Verbunddecken und einem Stahlbetonkern, welche leichter ist als eine herkömmliche Stahlbetonkonstruktion, und der lastenverteilenden Flossenwände im Bereich des Gründungskastens war es möglich, eine Pfahlgründung zu vermeiden. Die Flachgründung mit einer 2m dicken Fundamentplatte trug dazu bei, Kosten zu reduzieren und die Bauzeit zu verkürzen.

Den Grundriss des 30-stöckigen Gebäudes dominiert ein zentraler Kern, um den sich ein stützenfreier Raum entwickelt. Dieser Stahlbetonkern beinhaltet alle Erschließungs- und Versorgungsfunktionen wie Aufzüge, Treppenhäuser und Stromversorgung und besteht aus drei vertikalen Schächten, die mit Koppelbalken in der Höhe der Decken verbunden sind. Jeder einzelne Schacht wirkt wie ein im Gründungskasten eingespannter, vertikaler Kragarm, welcher über die horizontalen Koppelbalken mit den anderen integriert wurde. Die Koppelbalken verbinden die einzelnen Kernwände, sodass die drei Betonschächte jeweils in Richtung ihrer Anordnung zusammenwirken und ein horizontales Aussteifungssystem bilden. Die Koppelbalken verhindern die relative vertikale Verschiebung der einzelnen Schächte und übertragen Schubkräfte.

Hochfeste Baustähle: Gewicht- und Kosteneinsparungen garantiert

Für das Stahltragwerk des Turms wurden hochfeste Stähle verwendet, die aufgrund ihrer hohen Streckgrenze gegenüber Stählen mit der herkömmlichen Stahlgüte S235 bis zu 50% Einsparungen für Bauteilkosten ermöglichten. Bei einem Materialpreis der Walzprofile in S460, der nur 10-15% höher ist als der von Profilen in S235, konnten allein beim Material ca. 30-40% der Kosten eingespart werden. Bei der Verarbeitung in der Werkstatt konnte das Schweißgutvolumen erheblich reduziert werden, der Einsatz von kleineren Profilen reduzierte die Fläche für den Korrosionsschutz und aufgrund der leichteren Konstruktion konnten auch die Transportkosten gesenkt werden.

Nicht nur aufgrund der höheren Festigkeit, sondern auch durch einen günstigeren Eigenspannungsverlauf ergeben sich höhere Knicklasten von Walzprofilen in S460, was sich besonders bei Stützen im gedrungenen und mittleren Schlankheitsbereich positiv auf den Stahlverbrauch auswirkt. Mit Profilen in S460 sind schlanke, sehr tragfähige und somit auch wirtschaftliche Hochhausstützen möglich.

Diese Vorteile wurden bei der Stützenausbildung des Torre Diamante aufgegriffen: Die Stützen der Profilreihen HD360 und HD400 bestehen aus hochfestem Stahl S460M. An ihren Enden sind sie plan gefräst, um den direkten Kontakt zwischen den Elementen an den Knotenpunkten zu gewährleisten, verschraubt wurden sie mittels Scher-Lochleibungsverbindungen. Insgesamt wurden 700 Tonnen Baustahl verwendet für Stützen mit einer Gesamtlänge von 2540 m, mit 250 Stützenstößen und 7.200 Schrauben.

Diamantform mit hochfesten Stählen

Um die charakteristische Form des Gebäudes zu realisieren, verändert die Fassade in der 9. und 22. Etage ihre Neigung. Die dadurch aktivierten Horizontalkräfte bewegten sich in der Größenordnung von einigen hundert Tonnen und mussten zur Horizontalaussteifung, dem Stahlbetonkern, weitergeleitet werden. Das dafür vorgesehene Lastenübertragungssystem liegt in einer Deckenebene und besteht aus einem Fachwerk aus schweren H-Schweißprofilen (für Zug und Biegung) und Stahlrohre, die als Druckstäbe agieren. Die Schweißprofile bestehen aus 500x50mm Flanschen und 400x30mm Stegen. Durch einbetonierte Stahlträger und Kopfbolzendübel ist das Fachwerk mit dem Betonkern verbunden.

Auch im Erdgeschoss verlaufen die Stützen schräg, diese bestehen aus Verbundquerschnitten mit einem äußeren Stahlrohr und eingestellten, zusammengeschweißten Profilen. Im ersten Untergeschoss wird die Last über mit Kopfbolzen versehene Breitflanschprofile, die in die Betonstützen des Untergeschosses und die Erdgeschossdecke einbinden, in den Stahlbeton-Gründungskasten eingeleitet.

Auch bei Biegeträgern wirkt sich der Einsatz von hochfesten Stählen günstig auf die Momententragfähigkeit aus, die Wahl der Güte S460 für Verbundträger stellt somit die wirtschaftlichste Lösung dar. Beim Torre Diamante wurden Verbundträger mit bis zu 11 m Spannweite eingesetzt, die über zahlreiche Ausnehmungen für die Haustechnik verfügen. Für die Deckenträger wurden unter diesen Voraussetzungen IPE und HE Profile in S355 verwendet. Die Verbunddecken mit mittragenden Hinterschnittblechen ergeben eine Deckenstärke von nur 15-20 cm. 1.800 IPE und HE Deckenträger mit einer Gesamtlänge von 13.520 m und 26.000 m2 Verbunddeckenprofile wurden verbaut.

Um die Montagegeschwindigkeit zu erhöhen, wurde für den Anschluss der weiteren horizontalen und vertikalen Elemente eine spezielle Lösung gewählt: vor Ort geschweißt wurden nur die “Stutzen”, die über einbetonierte Stahlträger mit dem Betonkern verbunden sind sowie die Fahnenbleche und Ankerplatten. Alle anderen Haupt- und Nebenträgerprofile wurden – mit nur wenigen Ausnahmen – mit Schraublaschen an Steg und Flansch verbunden. Auf diese Weise konnte pro Woche ein Geschoss fertiggestellt werden.

Nachhaltigkeitskonzept und LEED

Bei der Integration des Redevelopment Gebiets in den bestehenden städtischen Kontext steht das Konzept der urbanen Nachhaltigkeit im Mittelpunkt, das sowohl die sozialen Bedürfnisse als auch die Umwelterfordernisse der Stadt berücksichtigt. Verantwortung für den öffentlichen Verkehr und alternative Mobilität sind in der Infrastruktur-Nachhaltigkeit einbegriffen und die Umwelt-Nachhaltigkeit stellt neben modernen alternativen Energiesystemen auch die Zufriedenheit der Menschen in den Mittelpunkt. Der Torre Diamante strebt in der GreenBuilding Zertifizierung mindestens LEED Gold an, das gesamte Varesine-Projekt wurde bereits mit LEED Gold vorzertifiziert.

Der Torre Diamante punktet in 6 Kategorien der LEED Regeln für „Neue Konstruktionen 2009“:

-  Wechselwirkung des Gebäudes mit seiner Umwelt
Die praktisch staubfreie Stahlbauweise konnte in der Kategorie Standort positiv bewertet werden.

- Wassereffizienz
Das Gebäudes hat einen besonders sparsamen Wasserverbrauch: Regenwasser wird gesammelt und zur Bewässerung der Außenanlagen verwendet.

- Energie und Atmosphäre
Der Torre Diamante überzeugt mit der Reduktion des Energiebedarfs und Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen. So wird durch ein Wärmepumpensystem aus dem Grundwasser und über Photovoltaikanalage Energie gewonnen. Ziel ist es, den Energiebedarf des Turms im Vergleich zu einem konventionellen Gebäude um 14% zu senken, dazu tragen die hocheffizienten Fassaden und eine optimierte Wärmeisolierung bei.

- Materialien & Ressourcen
Die Nutzung von lokalen, erneuerbaren und wiedergewonnenen Materialien zur Ressourcenschonung und Förderung des Recyclings steht dabei im Mittelpunkt. Durch die Verwendung von Baustahl können hier besonders viele Punkte gesammelt werden. Einerseits ist die Stahlbauweise besonders abfallarm und die geringen anfallenden Baustahlabfälle werden zu 100% wieder recycelt. Andererseits lag der ermittelte Recyclinggehalt des verwendeten Stahls mit 58% viel höher als die geforderten 20%. Die Herkunft des Stahls wird ebenfalls als „regional“ angesehen, da die entsprechenden Stahlwerke im von LEED geforderten 800 km Radius um Mailand liegen.

- Umweltqualität im Gebäude
In dieser Kategorie spielen besonders Luftqualität, Schadstoffe und thermischer und visueller Komfort eine Rolle. Die Aussichtsmöglichkeiten und Nutzung von Naturlicht konnten durch die Anordnung um den zentralen Kern, die schlanken Stützen im Fassadenbereich und die geschosshohe Verglasung maximiert werden. Was die Schadstoffe betrifft, so ist der Gehalt an flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) bei Baustahl Null, die verwendeten Farben und Anstriche waren überwiegend natürlich und biologisch abbaubar.

- Innovation bei der Planung
Alle Kriterien, die über LEED hinausgehen, wie der Einsatz von hochfestem Stahl der Güte S460M zu nennen, der die Ressourceneffizienz und Umweltwirkung deutlich verbessert.

Über die LEED Kategorien hinausgehend sei noch zu erwähnen, dass der Torre Diamante über einen barrierefreien Zugang verfügt und die Büroflächen stützenfrei und komplett flexibel nutzbar sind.

Die Vorteile des Stahltragwerkes in diesem Falle lagen nicht nur in der Gewichtsreduktion im Vergleich zu einem Stahlbetonturm und der bevorzugten Flachgründung, sondern auch im Lieferverkehr der zum Vorteil der Bewohner erheblich reduziert werden konnte. Die innerstädtische Lage der Baustelle war eine Herausforderung in vielen Aspekten: dichter Verkehr, wenig Entladefläche und praktisch keine Lagerflächen machten einen genauesten Fertigungs- und Logistikplan notwendig.  Die Stahlteile wurden just-in-time und ohne große Verkehrsstörungen geliefert, insgesamt wurden die 3.800 Tonnen Stahl in ca. 150 Fahrten transportiert, während der Hauptmontagezeit waren dies nur 2 Ladungen pro Tag.

Städtebauliche Neustrukturierung Porta Nuova

Im Zuge dieses großen städtebaulichen Redevelopments, das die drei Projekte Garibaldi, Varesine und Isola vereint, gewinnen 290.000 m2 Land um das Areal eines ehemaligen Güterbahnhofs, welches 50 Jahre lang ungenutzt war, ihre funktionale Bedeutung zurück. Errichtet werden neue Wohnquartiere, Bürogebäude, Einkaufsmöglichkeiten, kulturelle Einrichtungen und Verwaltungsbauten. Rund 90.000m2 Parkanlagen und Grünzonen sollen das wiederhergestellte städtische Gefüge auflockern, auch der Anschluss an das Infrastruktursystem ist gegeben.

Der städtebauliche Entwurf für das Varesine-Areal stammt von Lee Polisano aus dem Architekturbüro Kohn Pedersen Fox, unterstützt von dem Architekten Paolo Caputo und den Ingenieursgesellschaften Jacobs und Arup, letztere entwarfen auch die Tragwerkskonzepte der Hochhäuser.

Projektinformationen:

  • Mailand
  • Italien
  • Architekt:
    Kohn Pedersen Fox
    Projektleiter: Lee Polisano;
    Paolo Caputo
  • 2010-2012
  • Bauherr:
    Hines, Galotti
  • Bauunternehmen:
    Stahlbau Pichler
    ATI CMB, UNIECO (Generalbauunternehmen)
  • Ingenieurbüros:
    ARUP, Jacobs
  • Fotograf:
    Lorenzo De Simone © Fondazione Promozione Acciaio