ArcelorMittal Verwaltungsgebäude in Luxemburg: Stahltragwerk und vorgefertigte Lösungen

Der Einsatz von Stahl und vorgefertigten Elementen ermöglichte eine kürzere Bauzeit des Bürogebäudes von ArcelorMittal in Esch-sur-Alzette, Luxemburg.

Beschreibung

Standortwahl

Im Süden Luxemburgs, zentral zu den Hüttenbetrieben, gut angebunden an die Hauptstadt und leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, liegt Esch-sur-Alzette als zweitgrößte Stadt des Landes. Esch ist seit jeher geprägt durch die Eisen- und Stahlindustrie. In dieser „Stadt des Stahls“ entwickelt sich heute auf einem früheren Industriestandort ein neuer Stadtteil mit Dienstleistung und einem Campus der Universität Luxemburg. Das Grundstück, der Rest eines kleinen Schlossparks, liegt benachbart zum früheren Forschungszentrum von ArcelorMittal am Rande der Stadt.

Gebäude

Das Architekturbüro Gottfried Böhm in Köln gewann bei einem Wettbewerb im Jahre 1990 mit internationaler Beteiligung einen Sonderpreis und wurde anschließend beauftragt, den Entwurf zu überarbeiten.  Zwei achtgeschossige Gebäudeflügel enthalten pro Stockwerk 2 x 24 Standardarbeitsräume (Module) und die offen in der Mitte liegenden Gemeinschaftsflächen. Im Untergeschoß befinden sich EDV, Haustechnik, zentrale Leittechnik, Lager, Archivräume und Anlieferung. Teile der Haustechnik befinden sich auf dem Dach des Gebäudes. Die Flügel sind im Winkel von 140° zueinander angeordnet. Die Gemeinschaftsflächen in der Mitte der Gebäudeflügel werden durch über alle Geschosse laufende, offene, 60 qm große Lichthöfe unterbrochen, in denen die 30 m hohen Windverbände stehen. An den Flügelenden befinden sich jeweils eine Aufzugsgruppe, ein Fluchttreppenhaus und eine WC-Anlage.

Im Knickpunkt liegen, als verbindende Funktionen, Besprechungsräume, Teeküche und eine dritte Fluchttreppe im runden Turm. Die Flügel sind an den Kopfenden durch eine Galerie erschlossen, die das vor dem Verwaltungsgebäude stehende Forschungsgebäude umschließt. Haupteingang ist der alte Turm, der als einziges von dem früher hier stehenden Schloss übrig blieb. Das Bauvolumen beträgt etwa 50.000 Kubikmeter (61.000 m3 mit Galerie und Turm).

Chronologie

März 1991: Baubeginn
März 1992: Aufbau des Stahltragwerks
August 1993: Fertigstellung des Gebäudes

Bauvolumen 61.000 m3
Nutzfläche 15.000 m2
Abmessungen 2 x 40 m x 18 m
Geschoßhöhe 3,00 m
Raster 6,00 x 7,20 m
Geschoßanzahl R +7

Brandschutz

Das herausragende Konzept des Brandschutzes in diesem Gebäude liegt in einem durchdachten System aktiver und passiver Maßnahmen.

- Kurze Wege zu den Treppenhäusern,
- statische Abtrennung der Treppenhäuser vom Haupt-Tragskelett,
- Optimale Lüftungsbedingungen durch automatisches Öffnen der Rauchabzüge von 2x2,4m2 pro Flügel im Dach
- ein auf Wärme reagierendes Sprinklersystem (mit 25000 und 2x 7650 Liter Wassertank).

Das Naturbrandkonzept der Eurocodes wurde angewendet um die Standsicherheit der Konstruktion im Brandfall ohne zusätzliche passive Brandschutzmassnahmen nachzuweisen. Für den Nachweis wurden folgende Bemessungsprinzipien berücksichtigt:

- Erfassen des Gesamtverhaltens der Tragkonstruktion unter Berücksichtigung einer lokalen Naturbrandentwicklung nach Eurocodes 1, 3 und 4,
- Ansatz realistischer Brandlasten unter Berücksichtigung passiver und aktiver Brandschutzmassnahmen.
- Aktivierung einer Zusatzrahmenwirkung im Brandfall über die Verstärkung der Träger/Stützen-Anschlüsse in Richtung der Queraussteifungsfachwerke,
- Thermische Isolierung der in der Fassade liegenden Außenstützen.
- Schubverankerung der Spannbetonhohldielen am Auflager.

Das Zusammenwirken all dieser Maßnahmen ermöglichte einen unverkleideten, sichtbaren Stahlbau mit dem architektonischen Effekt der in den Atriumhöfen frei stehenden Stützen

Naturbrandkonzept

Passiver Brandschutz und realistische Feuerwiderstandsbemessung
Realistische Lastkombination (nach EC1, EC3, EC4)
Gesamttragverhalten der Konstruktion

Aktiver Brandschutz und Brandbekämpfungsmassnahmen
Automatische Feuermelder
Rauch
Wärme
Akustischer Feueralarm
Gesicherte Fluchtwege
Eingriff der Feuerwehr
Gesicherte Zugangswege
Feuer Bekämpfungsanlagen
Automatische Schließung der Brandtüren
Brandabschnitte
Sprinkler
Rauchabzugsöffnungen
Brandlasten
Lokaler Naturbrand
Stabilität der Konstruktion

Technische Werte

Wärmedämmung der Fassadenelemente: 1,7 W/m2K

Technische Ausstattung
Wärmebereitung (warmes Wasser + Heizkörper + Lüftung) :
2 Naturgas-Brennkessel von 1163 kW

Kühlung (Lüftung + Kühlkonvektoren) :
Kühlleistung 2 x 630 kW (2009 erneuert mit 3 x 300 kW)

Lüftung
2 Luftaustauscher auf dem Dach für die Büroräume
Unabhängige Geräte in den Technikräumen

Gasverbrauch: 220* kWh/m2 pro Jahr (1 m3=10,12 kWh)

Elektrizitätsverbrauch für Kühlung und Lüftung
63* kWh/m2 pro Jahr
* Mittelwerte für 2006, 2007 und 2008

Konstruktion

Das Gebäude ist ein reiner Stahlskelettbau, der in Pfahlgründung fundiert. Der Konstruktionsraster 6.00 x 7.20 m, mit 7 Stützenreihen zu je 4 Stützen in jedem Flügel. Die Stützen in jeder Reihe sind durch Deckenträger in dem von ArcelorMittal entwickelten System IFB (lntegrated Floor Beams) verbunden.

Die Horizontallasten werden über die Decken zu 4 Quer- und einem Längsaussteifungs-Fachwerk geleitet. In der Ebene der Aussteifungsfachwerke sind die Träger-Stützen-Verbindungen als steife bis halbsteife Anschlüsse ausgebildet.

Vorfertigen und Aufstellen der Konstruktion

Entscheidend für eine kurze Montage- und damit Gesamtbauzeit ist Umfang und Genauigkeit der Vorfertigung der Teile in der Stahlbauwerkstatt. Voraussetzung hierfür wiederum ist exaktes Planen in allen Stufen. Lassen sich diese beiden Parameter - eingehendes Planen und weitgehendes Vorfertigen - ohne Behinderung im Ablauf anwenden, ist Stahlbau ein unübertroffenes Konstruktionsverfahren. Richtwert für eine kurze Bauzeit sind etwa 2.000 qm Deckenfläche pro Woche unter einem Kran.

Vorteile der Vorfertigung

  • kürzere Bauzeit
  • Stahlbau:  8 Monate
  • Konventionelles Gebäude: 12 Monate
  • Zeitvorteile für den Stahlbau: 4 Monate
  • Zusätzliche Mieteinnahmen durch verkürzte Bauzeit

800 €/Einheit x 384 Einheit x 4 Monate = 1 228 800 €
(Material-, Fabrikations- und Montagekosten = 1 473 750 €)

Flachdeckensystem IFB (Integrated Floor Beams)

Das Stahltragwerk in Kombination mit der Flachdecke (IFB) erlaubt freie Trassenführung ohne Trägerdurchbrüche, so daß die Planung (z.B. Haustechnik und Ausbau) und Rohbauausführung zeitlich parallel erfolgen konnten, was zu einer erheblichen Zeitersparnis führte.

Zwischen Stahlträgern mit asymmetrischem Querschnitt (breiterer Unterflansch) - zusammengeschweißt aus ½ IPEA 500 aus hochfestem Stahl HISTAR® 460 mit einem 10 mm starken Untergurt - sind Hohlkörper gelegt, welche anschließend mit Ortbeton aufgefüllt werden.

So entsteht eine Flachdecke ohne Unterzüge aus montagefreundlichen Fertigteilen mit monolithischem Tragverhalten. Die Flachdecke ermöglicht eine niedrige Bauhöhe von 30 cm und freie Verlegung von Installationen an ihrer Unterseite.

Kombibüro

Das Prinzip des Kombibüro, eine der ersten Großanwendungen in Europa, besteht aus außenliegenden kleinen Einzel- oder Doppelbüros mit einer großen Gemeinschaftsfläche dazwischen für Besprechungen, kommunikative Tätigkeiten, Ablagen, Bürotechnik. Die Vorzüge des Systems liegen in der Kombination von ruhigem Einzelarbeiten und offener Kommunikation bei minimaler Störung der Mitarbeiter untereinander.

Ausbau

Die Standard-Büroräume sind durch Metalltrennwände mit Oberlichtbändern voneinander getrennt. In die Wände sind Schienen zum Aufhängen von Regalen integriert. Nach innen zu den Gemeinschaftsflächen sind die Wände voll verglast. Das Ausbauraster (Modul) betrügt 2,40 m. Die Böden sind mit Gummi ausgelegt. Unter den rot eingefärbten Beton-Fertigteilen hängen Akustikelemente aus gelochtem Stahlblech. Kühlkonvektoren an den Decken, Warmwasserheizung und Beleuchtung lassen sich von den Nutzern individuell regeln.

Standard Büromodule

Abmessungen: 2,40 m x 4,20 m = 10,08 m2
Anzahl pro Etage: 2 x 24
Gesamt 384 Module

Schalldämmung

Decke > 17 dB
Metalltrennwände
Büro zu Büro  38 dB
Büro zum Gemeinschaftsbereich  35 dB

Fassade

Vor den Büros befindet sich eine Leichtmetall-Glas-Fassade mit integrierten tageslichtumlenkenden Sonnenschutzlamellen. Im Bereich der Lüftungsflügel werden Sonnenschutz-Reflektionsglässer verwendet. Die Brüstungen sind mit emailliertem und bedrucktem Glas verkleidet. Vor den Treppen- und WC-Türmen ist eine speziell angefertigte Edelstahl-Wellfassade angebracht.

Projektinformationen:

  • Esch-sur-Alzette
  • Luxemburg
  • Architekt:
    Böhm, Köln Prof. Gottfried Böhm und Jürgen Minkus
  • 1991-1993
  • Ingenieurbüro:
    Schroeder & Associés, Luxemburg und Arne Hill AS., Oslo/Paris