Innovative Stahl- und Verbundlösungen für das Enovos Parkhaus in Luxemburg

Was auf den ersten Blick wie ein klassisches, freibelüftetes Parkhaus in Stahlbauweise aussieht, zeichnet sich bei genauerer Betrachtung jedoch dank der Verwendung des neuen Deckensystems Cofraplus® 220 in Verbindung mit Angelina®-Lochstegträgern durch eine offene und transparente Ästhetik aus. Das Enovos Parkhaus überzeugt außerdem mit technischen Leistungsmerkmalen wie einem reduzierten Trägergewicht, einer präzisen Überhöhung und nicht zuletzt einer Rissbreitenkontrolle, die dank Cofraplus® 220 mit einfachen Mitteln erreicht werden konnte.

Beschreibung

Im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Zentralverwaltung des Luxemburger Energieversorgers Enovos auf einem ehemaligen Hüttengelände in Esch-sur-Alzette, im Süden Luxemburgs, wurde auch ein freibelüftetes Parkhaus in Stahlverbundbauweise geplant.

Auf bis zu 5 Stockwerken sollten die ca. 400 Stellplätze in bekannter Split-Level-Bauweise (Halbrampen) verteilt und über drei außenliegende Treppenhauskerne in Betonbauweise erschlossen werden. Zur Vermeidung von Zwangsbeanspruchungen, z. B. aus Temperaturbeanspruchung, wurden die Treppenhauskerne außerhalb der Haupttragstruktur in Stahl angeordnet. Mit Grundriss maßen von 32m x 60m und einem typischen Rastermaß von 15,75m x 5m, entspricht das Parkhaus in seinen Grundzügen den bewährten Konzepten und profitiert von den flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten des Stahlverbundbaus.

Da die Überplanung des Gebiets zu Beginn des Vorhabens noch nicht abgeschlossen war, musste während der Planung auf vielfältige Randbedingungen und eventuelle Planungsoptionen Rücksicht genommen  werden. So erforderte der Baugrund eine Pfahlgründung, deren Umfang durch einen Trägerabstand von 5,0m und der daraus folgenden geringen Stützenzahl reduziert werden konnte.

Die Anordnung der innenliegenden Rampen von Halbgeschoss zu Halbgeschoss berücksichtige eine mögliche zusätzliche Zufahrt des Parkhauses auf der 1. Ebene am südlichen Ende. Darüber hinaus konnten in diesem Bereich lediglich 3 Geschosse realisiert werden, da hier noch eine alte Hochspannungsleitung die Bauhöhe beschränkte. Da diese Leitung jedoch in näherer Zukunft außer Betrieb genommen und abgebaut werden soll, konnte dank der Stahlbauweise eine spätere, einfach gestaltete Komplettierung der 4. und 5. Ebene eingeplant werden.

Neuartiges Deckensystem und sinusförmige Lochstegträger

Die Innovation bei diesem Parkhaus-Projekt liegt im neuartigen Deckensystem Cofraplus® 220 in Verbindung mit Angelina®-Lochstegträgern. Dabei wurde der Abstand der Stegöffnungen des Trägers auf die Baubreite des Deckenprofils abgestimmt, so dass ein schlankes Tragwerk mit neuer Ästhetik entsteht.

Die großen, geschwungenen Stegöffnungen erlauben, im Gegensatz zu üblichen Vollwanddeckenträgern, Sichtbeziehungen über mehrere Deckenfelder hinweg. Die gewonnene Transparenz in der Trägerebene und die geringere Verschattung verleihen dem Parkhaus trotz der minimalen lichten Höhe von 2,20m (Unterkante Träger) ein sehr offenes und helles Raumgefühl, die einem positiven Nutzerempfinden und der Sicherheit dient. Die glatten Rippen des beschichteten Profilblechs stehen senkrecht zu den Trägern und strukturieren die großen Deckenflächen über die Träger hinweg in eine endlos erscheinende Flucht.

Reduzierte Stahltonnage und punktgenaue Überhöhung

Die Herstellung der Angelina®-Träger verläuft ähnlich wie bei den altbekannten Waben- oder Lochstegträgern durch Aufschneiden eines warmgewalzten Basisprofils im Steg und anschließendem Verschweißen der beiden so entstandenen „T-Querschnitte“ an den sogenannten Stegpfosten. Jedoch folgt der Schnitt beim Angelina®-Träger einer kontinuierlichen Sinuslinie, die entsprechend den Projektgegebenheiten angepasst werden kann. Durch dieses Verfahren kann die resultierende Profilhöhe auf das etwa 1,5-fache der ursprünglichen Trägerhöhe erhöht werden und die Materialverluste reduzieren sich auf das Ablängen der Trägerenden, was letztlich zu einem optimierten Lochstegträger führt.

Die Angelina®-Träger im Projekt Enovos basierten für die großen Spannweiten auf einem IPEO 400 in S460M bzw. auf einem IPEA 330 in S460M für die etwas kürzeren Träger, die an die Rampenstützen angeschlossen wurden. Die Schnittlinie, die letztlich die Geometrie der Stegöffnungen und die neue Gesamthöhe des Trägers bestimmt, berücksichtigte die Baubreite und somit den Rippenabstand des Profilblechs von 750mm sowie die statischen Erfordernisse und die Konstruktionshöhe des gesamten Deckenaufbaus. Die finale Trägerhöhe beträgt 575mm und die Tragfähigkeit ist mit der eines IPE 550 vergleichbar. Die baurechtlich geforderte beidseitige Entwässerung erforderte darüber hinaus eine große Überhöhung des Trägers, welche im Bauzustand 210mm betrug und durch das Eigengewicht des aufgebrachten Betons anschließend auf die verbleibenden 110 mm zurück ging.

Große Spannweiten und geringe Rissbreiten

Das bauaufsichtlich zugelassene Deckensystem Cofraplus® 220 (Z-26.1-55) basiert auf dem bewährten additiven Bemessungskonzept. Dabei dient das 220mm hohe Profilblech nach der Montage zwischen den Trägern als Arbeitsplattform und übernimmt im Bauzustand die Lasten der Bewehrung und des Frischbetons.

In Abhängigkeit der Blechdicke von 1,0mm, 1,13mm oder 1,25mm und der Höhe des aufgebrachten Betons können so Spannweiten von über 5,50m ohne zusätzliche Montageunterstützung überbrückt werden. Mit der speziell konzipierten Montageunterstützung können bis zu 10m Spannweite erreicht werden.

Das Projekt Parking Enovos bedurfte mit den genannten Deckenspannweiten von 5,0m keiner Montageunterstützung und die Höhe des Deckenspiegels über den Rippen betrug 80mm, wobei durch einen Versatz von 20mm mittels „Wing 20“ nach Zulassung die Betonhöhe über dem Verbundträger 100mm betrug.

Zur Montage werden die Bleche in diese sogenannten Wings des Trägers eingelegt und anschließend mit selbstbohrenden Schrauben befestigt bzw. die Längsüberlappung im Rippenboden wird, wie üblich, von unten her verschraubt. Diese Art der Auflagerung ermöglicht es, eine Durchlaufwirkung der Betonrippe und somit der ganzen Decke zu erzielen, da der Beton über dem Blech und im Wing bis an den Steg des Stahlträgers gelangt und dort aushärten kann. Auch ist durch diese Art der Auflagerung der Profilbleche eine freie Anordnung der Kopfbolzendübel möglich.

Die Wings sind einfache Formteile aus 3,0 mm dickem Stahlblech in konventionellem S235JR, die im Rahmen der Anarbeitung in der Stahlbauwerkstatt an den Träger angeschweißt werden und anschließend dem gleichen Korrosionsschutzverfahren unterzogen werden wie der Träger selbst. Beim Projekt Enovos wurde, wie im Parkhausbau üblich, die gesamte Konstruktion feuerverzinkt.

Das Tragverhalten des durchlaufenden Deckensystems, welches trotz einer Betonüberdeckung der Bewehrung von cnom = 50 mm ohne Zulage von Edelstahlbewehrung auskommt, zeichnet sich insbesondere durch ein bisher sehr gutmütiges Rissverhalten gerade im Bereich des Stützmoments oberhalb des Trägers aus.

Das Tragverhalten des Cofraplus® 220 Deckensystems ist dem einer durchlaufenden Rippendecke ähnlich. Im ungerissenen Zustand des Betons sind die Steifigkeiten der Decke im Feld und über der Stütze annähernd gleich. Mit Hinblick auf die Dauerhaftigkeit wurde auf Wunsch des Bauherrens bei der Planung die mittlere rechnerische Rissbreite über dem Träger auf 0,1mm begrenzt.

Diese zusätzlichen Anforderungen konnte durch entsprechende, einfache Bewehrung über den Träger erfüllt werden, was nicht zuletzt der Durchlaufwirkung des Deckensystems geschuldet ist. Und so zeigten sich auch nach dem Kugelstrahlen der Betonoberfläche, welches zur Vorbereitung auf eine OS8-Beschichtung durchgeführt wurde, im Bereich oberhalb des Trägers keinerlei Risse, die einer Nachbehandlung bedurft hätten.

Die verwendete Betonrezeptur für die Festigkeitsklasse C35/45 beinhaltete ein maximales Größtkorn von 16mm sowie 400kg/m3 Zement ohne weitere Zusatzstoffe. Die zum Pumpen des Betons über fast 50m Rohrleitung notwendige Konsistenz wurde durch Zugabe von Fließmittel eingestellt und auf der Baustelle vom Zulieferer des Fertigbetons überwacht.

Die Stellplätze konnten schon vor der Fertigstellung (Beschichtungs- Installationsarbeiten sowie Fassadenmontage) dem Bauherrn zur Verfügung gestellt werden. Dank der Stahlbauweise konnte dieser somit auch schon vor der endgültigen Fertigstellung Nutzen aus seinem Projekt ziehen.

Projektinformationen:

  • Esch/Alzette
  • Luxemburg
  • 2013 - 2014
  • Bauherr:
    Enovos Luxembourg S.A.
  • Ingenieurbüro:
    GK Engineering S.A.
  • Bauunternehmen:
    ASTRON Steel Construction
  • Fotos:
    Chr. Radermacher/ArcelorMittal
  • Autoren:
    Dipl.-Ing./MBA Christoph Radermacher, ArcelorMittal Construction, und Dipl.-Ing. Marc May, ArcelorMittal Europe – Long Products

Parkhaus Envos

Video vom Bau