Neue Seele in historischem Gemäuer: Cofrastra®-Verbunddecken für den Museumsbau der Heidi Horten Collection

Ein ehemaliges erzherzogliches Kanzleigebäude im Innenhof eines Gründerbaus in der Wiener Innenstadt wurde zu einem Privatmuseum umgebaut. Um den Ansprüchen eines modernen Kunstmuseum zu entsprechen, bedurfte es eines maßgeblichen Eingriffs in seine Bestandsstruktur: Hinter der erhaltenen Gebäudefassade wurden drei Ausstellungsebenen und ein Kellergeschoss neu errichtet, mithilfe eines Stahltragwerks und Cofrastra® 56S-Verbunddecken von ArcelorMittal Construction.

Beschreibung

Nach der erfolgreichen Ausstellung der Kunstsammlung von Heidi Goëss-Horten im Wiener Leopold Museum im Jahr 2018 unter dem Titel „Wow!“ soll ihre Kollektion von gesammelten Meisterwerken dauerhaft präsentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die dazu passenden Räumlichkeiten in einem architektonisch komplett neu gestalteten Gebäude in zentraler Lage mit entsprechendem Umfeld wurden vor kurzem fertiggestellt.

Vom erzherzoglichen Kanzleigebäude zum modernen Kunstmuseum: architektonische Neugestaltung mit WOW-Effekt

Mit dem Erwerb des sogenannten Stöcklgebäudes, welches um 1914 im Innenhof des Gründerzeitbaus an der Ecke Goethe- und Hanuschgasse erbaut wurde, sicherte sich die Kunstsammlerin ein historisch anmutendes Gebäude in der Wiener Innenstadt. Das ehemalige erzherzogliche Kanzleigebäude befindet sich gegenüber dem Palais Erzherzog Albrecht, der Albertina, und hat in vergangener Zeit bereits andere Kunst- oder Kultureinrichtungen beherbergt, zuletzt das Staatsopernmuseum. Somit integriert sich die neue Nutzung des Stöcklgebäudes als Museum einer der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen in das angrenzende Ensemble von Burggarten, Staatsoper und dem Bundesmuseum in der Albertina.

Jedoch entsprachen die Räumlichkeiten des über hundert Jahren alten Gebäudes nicht den Ansprüchen eines modernen Kunstmuseums. Gerade die Charakteristik der einzigartigen Sammlung von Kunstsammlerin Heidi Goëss-Horten mit bedeutenden Werken verschiedenster berühmter Künstler aus unterschiedlichen Epochen bedarf einer ansprechenden und dem Ziel entsprechenden Architektur. Der Entwurf von the next ENTERprise – architects sah eine grundlegende Neustrukturierung des Gebäudeinneren vor. Dazu wurde das Gebäude entkernt und um ein Kellergeschoß erweitert.

Lediglich die Fassade des Stöcklgebäudes sollte erhalten bleiben und die neu konstruierten, fast freischwebenden Ausstellungsebenen umschließen. Dabei sind die drei Etagen versetzt und gegeneinander gedreht angeordnet. Die neue innere Aufteilung bildet so einen Kontrast zur klassischen Fassade und erlaubt neue Sichtbeziehungen innerhalb des Museums sowie zu seiner äußeren Umgebung. Eine spektakuläre Architektur mit WOW-Effekt, die die renommierte Sammlung gekonnt in Szene setzen kann.

Schwebend zwischen Alt und Neu: Bautechnische Herausforderungen

Der von Bollinger + Grohmann ingenieurmäßig geplante Ausstellungsort ist aufgrund seiner Lage und der historischen Bausubstanz auch technisch gesehen ein bemerkenswertes Projekt. Neben der fast kompletten Entkernung wurde der Bestand zusätzlich vollständig unterkellert und die Fassade im Erdgeschoss an einer Gebäudeecke geöffnet und unterfangen, um dort einen großzügigen Entrée-Bereich zum Museum zu ermöglichen. Die neue Tragkonstruktion basiert im Wesentlichen auf Stahlträgern mit einer maximalen Bauhöhe von 600mm und einer Spannweite von bis zu 20 Metern. So werden die einzelnen Ausstellungsflächen freitragend überspannt und lediglich durch die freistehende Treppe aus Edelstahl vertikal miteinander verbunden. Die konzentrierten Auflagerlasten der Träger werden über Stahlstützen, ergänzende Stahlbetonkonstruktionen und Tiefgründungen zum Baugrund abgeleitet.

Der Stahlbau wie auch die Montage der Verbunddeckenprofile wurde von der Firma Zeman & Co GmbH ausgeführt. In enger Abstimmung mit ArcelorMittal Construction als Hersteller der Cofrastra®-Decken wurden statische und logistische Fragestellungen zeitnah abgeklärt und die Lieferung in den Bauablauf eingetaktet.

Cofrastra® 56S: für leichte, schlanke Deckenkonstruktionen mit vielen Vorteilen

Cofrastra® 56S aus verzinktem und organisch beschichtetem Stahlblech (tN=1,0 mm) mit glattem Untergurt dient als Schalung für den Ortbeton und überbrückt den Trägerabstand von 1,65m bis über 2,0m ohne weitere Unterstützung. Zudem bildet das Stahlprofil die untere Bewehrungslage zur Aufnahme der Biegemomente der mit 10cm Stärke sehr schlank gehaltenen Deckenkonstruktion. Dies führt zu einem geringeren Deckengewicht von unter 250 kg/m2 bei relativ hohen Ausbau- und Verkehrslasten von insgesamt knapp 9kN/m2.

Die profilierten Elemente können kompakt gestapelt werden und konnten deshalb effizient zur innerstädtischen Baustelle transportiert werden.
Der Brandschutz wird durch Stabbewehrung in den Rippen auf einfache Weise, ohne zusätzliche und zeitintensive Maßnahmen gemäß EN1994-1-2 sichergestellt.

Die Montage der rund 680m2 Verbunddecke erfolgte weitestgehend händisch und somit kranunabhängig, wodurch wertvolle Krankapazität und Bauzeit eingespart wurden.

Die spezielle Schwalbenschwanz-Geometrie bietet eine reversible Installation von Haustechnik und abgehängten Decken, sodass letztlich die Verbunddecke den zukünftigen Betrachtern verborgen bleibt und sie sich ganz auf die Kunst und das Raumgefühl des neuen Museums konzentrieren können.

Fakten zur Verbunddecke:

Cofrastra® 56S in tN=1,0 mm

• Lasten: Ständige Ausbaulasten: 2,7 kN/m2, Verkehrslasten: 6,25 kN/m
• Spannweiten: 1,65 m bis 2,05 m, Zweifeldsystem
• Deckenstärke: 10 cm
• Betonbedarf: 90 l/m2
• Deckengewicht: 240 kg/m2

Projektdaten

  • Wien
  • Österreich
  • 2022
  • Architekt:
    the next ENTERprise – architects
  • Ingenieurbüro:
    Bollinger + Grohmann
  • Bauunternehmen:
    Zeman & Co GmbH
  • Bauherr:
    Palais Goëss-Horten GmbH
  • Text:
    Christoph Radermacher, ArcelorMittal Construction
    Constructalia
  • Bilder:
    Rupert Steiner, © Heidi Horten Collection
    Stephan Oláh, © Heidi Horten Collection
    © Zeman & Co GmbH